Das Wort Gottes - ein Werk der Priester?

Evolution - ein Handwerk Gottes?

Um die Entstehung der Tora, samt des Sintflutmythos und der Schöpfungslegenden im Sinnverständnis der Israeliten zu sehen, muss man sich mit deren religiöser Entwicklung befassen und mit der Entstehung des „Alten Testamentes“. In einem anderen Beitrag weisen wir explizit auf den Ursprung der religiösen Entwicklung dieses Nomadenvolkes aus dem altägyptischen Mythenumfeld, während ihrer Besetzung eines Teiles des Ägyptischen Reiches, hin. Befassen wir uns jetzt doch mal etwas mit den einfallsreichen Schriftstellerei-Versuchen der Priesterschaft des JHWH-Kultes in ausschließlich wissenschaftlich-theologischer Sichtweise:

Mehrere Texte des Alten Testaments befassen sich mit der Entstehung der Welt. Die Urschrift des Buches Genesis stammt aus dem Kreis des Propheten Ezechiel, liegt in der Endfassung erst in der nachexilischen Zeit vor, nämlich zwischen 538 und 450 v. Chr., und gilt als die jüngste Quelle dieses Buches, die gleichwohl auch sehr alte Überlieferungen aus den vielen Kulturkreisen des mesopotamischen Raumes und des „Landes Kanaan“ aufgenommen hat.

Die theologisch-wissenschaftliche Forschung schlägt dieser Urschrift die erste Schöpfungserzählung zu, nämlich Genesis 1,1-2,43. Eigenart dieses Textes ist die theologische Sichtweise vom Demiurgen her, die schematische, schlichte, sogar eintönige Darstellung seiner Offenbarungen und Entschlüsse, Ordnungen und Gesetze, ohne eingehende Beachtung des Menschen und dessen Problematik. Das ganze Interesse konzentriert sich auf die majestätischen Herrschaftsakte des Schöpfers, der mit ihnen Ordnung in der Welt schafft und in steigendem Maß das Heil des Gottesvolkes anstrebt.

Die Themen der Erzählung sind: Urchaos (1, 1-2), Licht (l, 3-5), Trennung der Wasser und Schaffung des Himmels (1, 6-8); Scheidung von Erde und Meer (1, 9-10); Erschaffung des Pflanzenreichs (1,11-13) und der Gestirne (l, 14-19), der Wassertiere (l, 20-23), der Landtiere (1, 24-25) und des Menschen (1,26-30); Abschluss der Schöpfung (1,31-2,1) und Ruhetag des Schöpfers (2,2-3).Über sechs Tage erstreckte sich die Tätigkeit des Schöpfergottes. Licht und Finsternis habe er am ersten Tag geschieden, am zweiten den Himmel erschaffen, das obere und untere Wasser getrennt; am dritten Meer und feste Erde gesondert und das Pflanzenreich entstehen lassen; am vierten Sonne, Mond und Sterne geschaffen, am fünften Wassertiere und Vögel, am sechsten die Landtiere und schließlich die Menschen.

Der Psalm 104, wohl ziemlich spät in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends v.Chr. eingeführt (das Original findet man als Ode an Harachte im Tempel von Kom Ombo aus dem Jahr 1462 v. Chr.) feiert die Tätigkeit des Schöpfers und die Entstehung des Kosmos mit dessen verschiedenen Bereichen und Elementen, nämlich des Luftraums (3-4) und der Erde (5-7); des Meeres (8-9), der Flüsse (10-12) und des Regens (13); der Pflanzen (14-15) und der Bäume (16-17); der Gestirne, des Tages und der Nacht (19-23), des Meeres und der Wassertiere (25-26), und mündet in den Lobpreis der göttlichen Vorsehung und Wirkmächtigkeit (27-30).Die erste Rede Jahwes, des Gottes, im Buch Ijob 38,1-40,2, das am ehesten wohl zu Beginn des 3. Jh. v.Chr. vollendet wurde, vermischt hymnische Beschreibungen der Schöpfung mit Aussagen über die Vorsehung ihres Urhebers die eindeutig ihren Ursprung im babylonisch-assyrischen Kulturkreis haben, welche mit erheblich älteren ägyptischen Mythen vermischt wurden. Der Text nennt als Werke des Demiurgen, hier nach Gruppen sortiert: die Erde und ihre Breiten (38,4-7.18); Meer, Wolken und Dunst; die Quellen des Meeres, die Tiefe des Urgrunds, darin die Tore des Todes und der Finsternis; Regenflut, Donnergewölbe und Blitze, das Wasser, die Schläuche des Himmels und deren Ausschütten (38,8-11.16.17.25-28.35.37-38); Schnee und Hagel, Eis und Reif (38,22.215-28); Morgen, Frührot, Licht und Finsternis; Ursprung des Lichts und des Ostwinds (38,12-15.19-21.24); Gestirne und Gesetze des Himmels (38,31-33); Ibis und Hahn; die Löwin und ihre Jungen, den Raben, Steinböcke und Pferd, Falke und Adler (38,36.39-40.41; 39,1-4.5-12.13-18.19-25.26.27-30). - Die zweite Rede Jahwes erwähnt das Nilpferd (40,15-24) und das Krokodil (40, 25-32).

Die Schöpfungserzählung eines weiteren Autorenkreises im Buch Genesis 2,4b-25 befasst sich hauptsächlich mit der Erschaffung des Menschen und den Anfängen der Menschheitsgeschichte. Einer Kultur-Tradition schreibt man sie zu, die im Südreich Juda beheimatet war und sich etwa in der Zeit 965-850 v. Chr. gebildet hatte. Der Text führt diese Themen aus: Anfangswüste (2,4b-5), Anfangsgründe (2,6-7) und der erste Garten (2,8 14); Erschaffung des Menschen, des »Pächters Gottes« (2,15-17); der Tiere (2,18-20); der Gefährtin des Mannes, der Frau (2,21-24); schließlich der Urzustand des Menschen (2,215).Das biblische Weltbild beschreibt den Kosmos wie eine ungefähre Kopie eines Wohnhauses. Wie dessen unterirdischer Vorratsraum nimmt sich die Unterwelt aus, der Aufenthaltsort der Seelen der Verstorbenen. Dunkel ist er, ohne Licht. Wesenlosen Schatten gleich (vgl. Jesaja 14,9; 26,14; Ijob 26/5), müssen die Verstorbenen hier, im » Land des Vergessens« (Psalm 88,13 – dessen Original aus den Papyri Esser KV 35 Amenhotep II. stammt), ein freudloses Dasein fristen. Ein Ende haben da Wirken und Denken, Wissenschaft und Weisheit (vgl. Prediger 9,10), und kein Gotteslob ertönt (vgl. Psalm 6,6; 30,10; Sirach 17,27). Doch wie in den Höhen des Himmels, so sei Gott auch in den Tiefen der Unterwelt gegenwärtig (vgl. Psalm 139,8-12 – Original aus dem Buch der Weisheit des Thot; Amos 9,2). Die Verstorbenen besäßen höheres Wissen als die Lebenden, weshalb man sie zu beschwören versucht, verborgene Ereignisse von ihnen zu erfahren (vgl. 1 Samuel 28,8-25).

Die Scheol, die Unterwelt, galt zunächst nicht als Ort der Vergeltung; Auferstehungs-gedanke und Glaube an Vergeltung nach dem Tod tauchen erst in späteren Schriften des Alten Testaments auf. Hier werden dann drei Kategorien von Verstorbenen unterschieden. Das sind zum einen die Gottlosen, deren Fleisch das Feuer und der Wurm verzehren (vgl. Judith 16,17; Sirach 7,19), deren Durchgangsquartier die Unterwelt zunächst ist, nach Auferstehung und Gericht dann ihr endgültiger Ort der Qual (vgl. Weisheit 3,18 f.).

Zum anderen ist die Unterwelt Läuterungsort für die Gerechten, aber nicht tadellos Treuen, für die Judas Makkabäus sogar Menschenopfer darbringen lässt (vgl. 2 Makkabäer 12,42-46). Und schließlich leben die Heiligen, die Reinen, in Ewigkeit, in Erwartung der Krone der Herrlichkeit (vgl. Weisheit 3, 1-8; 5,15 f.).

Die Erde ist vor allem Wohnstätte der Menschen. Man glaubt, sie sei eine viereckige Scheibe, umgeben vom Meer, auf dem Wasser schwimmend, von 4 Pfeilern aber gehalten. Der Israeliten Land sei Mittelpunkt der Erde, über der sich das Himmelsgewölbe spanne, ruhend auf den Säulen des Himmels, befestigt auf dessen Fundament. Die Gestirne seien an das Himmelsgewölbe geheftet, und darüber liege der himmlische Ozean, aus dem die Sintflut hervorgeströmt sei.

Gott wohne in der Oberwelt, da stünden sein Zelt, sein Thron. Auch die Engel wohnten hier und die heiligen Menschen, die einst Gott schauen und in seinem Frieden ewiges Leben genießen würden.

Die Aussagen der biblischen Texte zur Schöpfung lassen sich zusammenfassen: Das Weltall besteht nicht von Ewigkeit her, sondern verdankt sich einem Schöpfer, wurde von einer Ursache ins Dasein gerufen, die vom All sich unterscheidet, von ihm in seiner Wirkung unabhängig ist. Nicht Emanation des Schöpfers ist der Kosmos also, nicht Ausfluss seines Wesens, nicht grundsätzlich wesensgleich mit ihm in irgendeiner Weise. Allein ist der Schöpfer am Werk, erschafft die Welt ohne anderer Götter oder Demiurgen Hilfe, lenkt und überwacht den Lauf der Welt weiterhin. Ohne äußeren Zwang erschafft und wirkt er, ist ein personaler Gott, sein Wille souverän und über alles Seiende verfügend. Jedem Wesen einen Namen gebend, bestimmt der Schöpfer Wesen und Rolle eines jeden Geschöpfs; bestimmt auch die Beschaffenheit der Natur, das menschliche Leben zu ermöglichen und zu fördern; wacht über die es tragende Ordnung des Kosmos, lenkt den Gang des Weltalls, legt fest des Menschen Lebenslauf.

Die Texte beschreiben die Tätigkeit des Demiurgen auf verschiedene Weise. Der zweite Autorenkreis lässt ihn noch sehr menschlich vorgehen, ihn persönlich Hand anlegen, wie einen Brunnengräber Wasser aus der Erde emporsteigen machen, wie einen Gärtner einen Garten mit Bäumen anlegen, wie einen Töpfer den Leib des Menschen, später die Körper der Tiere, des Menschen Gefährten, aus Lehm bilden. Den Lebensatem, haucht er ihnen ein, macht sie damit zu lebenden Wesen. Noch andere Texte bieten solche Spiegelungen menschlichen Tuns, sogar auch jüngere biblische Werke oft sehr deutlichen poetischen Charakters.

Der Kreis des Propheten Ezechiel lässt den Demiurgen durch das Aussprechen seines schöpferischen Wortes wirken. Nur zu sprechen braucht er, zu artikulieren, was er will, und alles ist, nimmt Gestalt an nach des Schöpfers Plan. So entsprechen die geschaffenen Wesen dem Plan und Willen ihres Erschaffers, sind imstande, die ihnen zugedachte und -gewiesene Rolle in der kosmischen Ordnung zu erfüllen, werden so auch als »gut« bezeichnet. Auch des Guten alleiniges Prinzip ist der alleinige Schöpfer, mit keinem anderen Prinzip, dem des Bösen etwa, an der Seite.

Der Mensch nimmt in Schöpfung und kosmischer Ordnung eine besondere Stellung ein, ist sozusagen der Pächter Gottes, erschaffen, den Garten zu bestellen und zu behüten (vgl. Genesis 2,6.15). Überantwortet hat ihm der Schöpfer sein Werk, die Tiere ihm zu Gefährten gegeben. Doch die eigentliche Vervollkommnung in seiner Beschaffenheit als göttliches Geschöpf, betraut mit einer besonderen Aufgabe in der Welt, gewinnt der Mensch durch die Erschaffung der Frau. Erst im Zusammenwirken und -leben von Frau und Mann findet das menschliche Leben vollkommene Gestalt.

Als ob das Vorgenannte nicht schon verwirrend genug ist, sollte es doch „Gottes Wort“ in einmaliger unveränderlicher Fassung wiedergeben, haben wir bei unseren Recherchen in den zwei anerkannten Talmuden und den Midraschwerken des Judaismus noch folgende, sich allein auf die Entstehung des Menschen beziehende, Geschichten gefunden:

Diese Erzählungen wollen den Satz »Lasst uns Menschen machen als unser Abbild nach unserer Gestalt« aus dem Buch Genesis (1, 26) erläutern und führen dazu aus: Der Schöpfer habe sich zuerst mit Himmel und Erde, dann mit dem Werk eines jeden Schöpfungstags beraten, oder mit seinem eigenen Herzen. Mit sich selbst sei er hinsichtlich der Erschaffung des Menschen zu Rate gegangen: »Er sprach: Erschaffe ich ihn, so gehen Frevler von ihm hervor, erschaffe ich ihn nicht, wie sollen Gerechte von ihm hervorgehen!« Was machte er? Er entfernte den Wandel der Frevler aus seinem Angesichte und verband sich mit der Eigenschaft der Barmherzigkeit und erschuf so den Menschen. Und weiter: »Er sprach: Erschaffe ich den Menschen in der Ähnlichkeit der oberen Wesen, so lebt er ewig und stirbt nicht; erschaffe ich ihn in der Ähnlichkeit der unteren Wesen, so stirbt er und lebt nicht ewig.« Eine Variante lautet: »Erschaffe ich den Menschen von den oberen Wesen, so sind diese um ein Geschöpf mehr, und der Friede in der Welt ist gestört; erschaffe ich ihn dagegen von den unteren Wesen, so sind diese um ein Geschöpf mehr, und der Friede ist gestört.« (Wohl die weiseste Erkenntnis aus der ganzen Geschichte der Schöpfung!) Nach diesen Überlegungen habe der Schöpfer den Menschen nach der Ähnlichkeit der oberen und zugleich der unteren Wesen gemacht: Wie die unteren Wesen, nämlich die Tiere, esse und trinke er, vermehre er sich und sterbe; wie die oberen Wesen, nämlich die Dienstengel, stehe er aufrecht, spreche, verstehe und sehe er.

Eine andere Tradition lässt den Schöpfer sich mit den Dienstengeln beraten haben. Hiervon wissen die interessantesten Legenden zu erzählen, die Engel hätten miteinander gestritten und unterschiedliche Meinungen vertreten, etwa: » Die einen sagten, er solle nicht, die anderen sagten, er solle erschaffen werden. Die Gnade sprach: Er werde erschaffen, denn er wird mildtätig sein. Die Wahrheit sprach: Er soll nicht erschaffen werden, denn er wird sich der Lüge hingeben. Die Gerechtigkeit sprach: Er werde erschaffen, denn er wird Gerechtigkeit üben. Der Friede endlich sprach: Er soll nicht erschaffen werden, denn es wird nur Streit und Zank entstehen [...] Während die Dienstengel noch so miteinander stritten und Rat hielten, erfolgte die Erschaffung des Menschen, und Gottsprach zu ihnen: Was streitet ihr euch noch, der Mensch ist bereits erschaffen.« Eine weitere Legende erzählt, die Engel hätten gefragt, was denn der Mensch sei, dass der Schöpfer an ihn denke (vgl. Psalm 8,5). Und weiter: »Morgen, antwortete da Gott, werdet ihr seine Weisheit sehen. Als Gott den Menschen erschaffen hatte, versammelte er vor den Dienstengeln alle wilden und zahmen Tiere und alle Vögel und richtete die Frage an sie: Wie heißt dieses, wie heißt jenes Tier? Da sie es nicht wussten, sprach er: Wollt ihr die Weisheit des Menschen kennenler-nen? Ich werde ihn fragen, und er wird ihre Namen sagen und alle mit Namen benennen. Er ließ daraufhin eine jegliche Gattung von Tieren an dem Menschen vorüberziehen [vgl. Genesis 2, 19] und fragte ihn: Wie heißen sie? Adam antwortete: Dieses Tier heißt Ochs, jenes Esel, dieses Pferd, jenes Kamel. - Und wie heißt du? - Ich sollte eigentlich Adam heißen, weil ich von der Erde erschaffen bin. - Und wie ist mein Name? - Du sollst Herr genannt werden, denn du bist der Herr aller deiner Geschöpfe.«

Zum Vorgang der Schöpfung sei von den vielen Varianten diese genannt:

Auf die zwölf Stunden des sechsten Schöpfungstags hätten sich die Phasen der Erschaffung des Menschen verteilt.

»Der Tag hat 12 Stunden. In der ersten wurde sein [Adams] Staub, aus dem er geschaffen werden sollte, zusammengehäuft; in der zweiten Stunde wurde er eine ungeformte Masse; in der dritten wurden seine Glieder ausgedehnt; in der vierten wurde seine Seele in ihn geworfen; in der fünften stand er auf seinen Füßen; in der sechsten gab er den Tieren die Namen; in der siebten wurde ihm Eva zugesellt; in der achten stiegen zwei zum Lager und vier stiegen herunter [nämlich die Eltern und die zwei Kinder Kain und seine Schwester]; in der neunten wurde ihnen der Befehl gegeben, dass sie nicht von dem Baume essen sollten; in der zehnten sündigte er; in der elften wurde er gerichtet; in der zwölften wurde er ausgestoßen und ging fort, wie es heißt [Psalm 49,13]: >Der Mensch übernachtet nicht in seiner Würde<.«

Ein anderer Text präzisiert, der Schöpfer habe die Erde, von der er Adam erschaffen, aus den vier Himmelsrichtungen gesammelt, und zwar rote und schwarze, weiße und gelbe Erde.

»Aus der roten machte er das Blut, aus der schwarzen die Eingeweide, aus der weißen die Knochen und Adern und aus der gelben den Körper.«

Die Erklärung, warum der Schöpfer den Staub aus den vier Ecken der Erde zusammengebracht habe, lautet:

»Er dachte: Wenn der Mensch von Osten nach Westen oder umgekehrt von Westen nach Osten wandert, oder wenn er sonst auf einemOrte sich befindet und ihn da seine Bestimmung trifft, von der Welt zu scheiden, so soll die Erde nicht sagen können: Hier ist der Staub zu deinem Körper nicht von mir genommen worden, ich nehme dich nicht auf, kehre zurück zu dem Orte, von dem du erschaffen wurdest.«

Zur Bemessung der Körpergröße Adams erzählt eine Legende:

»Anfangs wurde er von der Erde bis an die Himmelsfeste erschaffen. Als ihn aber die Dienstengel sahen, erzitterten, sie vor ihm und flüchteten sich vor ihm. Was machten sie? Sie stiegen alle empor zu dem Heiligen zur Höhe und sprachen vor ihm: Herr der Welt! Es gibt zwei Herrschaften in der Welt. Da legte er [der Heilige] seine Hand auf sein [Adams] Haupt und verkleinerte ihn und stellte ihn auf tausend Ellen.«

Eine andere Geschichte geht davon aus, dass der Mensch anfangs androgyn, teils Mann, teils Frau, gewesen ist, mit zwei Gesichtern. Der Schöpfer habe ihn in zwei Hälften zersägt und ihm zwei Rücken geformt. Aus der einen Hälfte sei Adam, aus der anderen Eva gebildet worden.

Als kräftiger Jüngling sei Adam geschaffen worden, zwanzigjährig. Sein Fußballen habe die Sonne verdunkelt, noch mehr sein Antlitz. Und sein Sehvermögen habe ihm erlaubt, von einem Ende der Welt zum anderen zu schauen.

» Als Gott aber die Verderbtheit des Sintflutgeschlechtes und der Zerstreuung des Turmbaus sah, entzog er ihm dieses Licht und verbarg es für die Frommen im Jenseits.«

»Eine herrliche Seele« habe der Mensch am Anfang besessen. Nach kabbalistischer, also jüdisch-mystischer Auffassung hat der erste Mensch Adam alle Menschenseelen enthalten, alle gebunden an Adams Seele.

Und so sei Adam zum Leben befähigt worden:

»Zu seiner Belehrung empfing der Erstgeschaffene durch den Engel Raziel (biblisch Rafael)) von Gott ein Buch, das alle göttliche und menschliche Weisheit enthielt. Er lernte daraus den Zusammenhang der Welt, die Ordnung der Gestirne und die Ursache ihrer Bewegung kennen.«

Alle Handwerke habe er gelernt, Gott selbst habe ihn durch den Engel (vergl.: Die Weisheit des Thot) unterwiesen. »Er führte ihn in der ganzen Welt herum und sprach zu ihm: Hier kann gepflanzt, dort kann gesät werden« (vergl.: Der Sumer-Mythos u. Enuma Elish, Babylon). Auch das Gesetz Gottes habe Adam gekannt und es seinen Kindern weitergegeben, aus welcher Tradition die Thora entstanden sei.

Und schließlich habe der Schöpfer den Adam den gesamten Vollzug der Geschichte des Lebens auf Erden schauen lassen, besonders alle großen Ereignisse und Vorgänge der Geschichte des Volkes Israel bis ans Ende der Tage.

Die erste Tat Adams nach seiner Erschaffung, so die Legende, war der Lobpreis des Schöpfers, als er dessen Schöpfung erblickte. Er habe gesprochen:

»Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Mit Weisheit hast du sie alle gemacht, die Erde ist voll von deinen Geschöpfen« [Psalm 104,24?).

Zur Stellung des Menschen unter den Geschöpfen und zu seinem Rang vor Gott weiß die Legende zu erzählen:

»Als die Dienstengel die Gottähnlichkeit Adams sahen, wurden sie an ihm irre und wussten nicht, wer von ihnen größer sei, Gott oder der Mensch. Schon wollten sie vor ihm das dreimal Heilig anstimmen. Daließ Gott auf Adam einen tiefen Schlaf fallen, und nun wussten sie, dass es ein Mensch war.«

Und auch die irdischen Geschöpfe wollten dem Adam göttliche Verehrung erweisen.

»Er aber wehrte es ihnen mit den Worten: ihr seid gekommen, michanzubeten. Wir wollen zusammengehen, um den Lebendigen, der uns alle geschaffen, mit Macht und Hoheit zu bekleiden und über uns als König zu erheben. Adam machte sich zuerst auf, um Gott als Königanzuerkennen, dann folgten ihm alle übrigen Geschöpfe.«

Die Erschaffung der Frau begründet eine weitere Talmudlegende Legende so: Der Schöpfer habe Konkurrenz zwischen sich und Adam verhindern wollen. Er habe gedacht:

»Ich bin einzig in meiner Welt, und er [Adam] ist einzig in seiner Welt. Mir steht keine Fortpflanzung bevor, und ihm ebenfalls nicht. Vielleicht könnten die Geschöpfe sagen, da es bei ihm keine Fortpflanzung gibt, ist er unser Schöpfer. Darum ist es nicht gut, dass der Menschallein sei, ich will ihm eine Gehilfin machen ihm gegenüber [vgl. Gen 2,18].«

Die Frau sei erst zu einem späteren Zeitpunkt erschaffen worden, weil Adam zunächst seine Sehnsucht nach ihr äußern sollte. Der nämlich habe das paarweise Zusammenleben der Tiere gesehen und ausgerufen:

Jedes Tier bildet mit seinem Genossen ein Paar, nur ich nicht.

Die Tradition betrachtet die Frau nicht nur als Geschlechtsgefährtin zum Zweck der Fortpflanzung, sondern schätzt sie als notwendige Ergänzung des Mannes. Sagt man doch, kein vollkommener Mensch sei ein Mann ohne Frau, das vermindere die Gottähnlichkeit. Und: »Wer ohne Weib ist, ist ohne Glück, ohne Freude, ohne Segen, ohne Sünde, ohne Frieden und ohne Leben.«

Warum Eva aus der Rippe Adams geschaffen worden sein soll?

»Gott spricht: Ich will sie nicht aus dem Kopf erschaffen, damit sie sich nicht stolz erhebe und hochmütig sei. Nicht aus dem Auge, damit sie nicht nach allen Seiten hinschaue. Nicht aus dem Ohre, damit sie nicht horche [neugierig sei]. Nicht aus dem Munde, damit sie nicht geschwätzig sei. Nicht aus dem Herzen, damit sie nicht eifersüchtig sei. Nicht aus der Hand, damit sie nicht alles betaste. Nicht aus dem Fuße, damit sie nicht eine Straßenläuferin werde. Ich will sie aus einer verborgenen Stelle Adams machen.«

Diese göttliche Absicht habe sich aber nicht verwirklicht, fügt die – sicher von Männern gepflegte - Legende hinzu, denn die Frau besitze all die Fehler und Schwächen, die der Schöpfer an ihr habe vermeiden wollen.

Die Anschauung von der Entstehung Evas aus Adams Rippe mag die Zusammengehörigkeit des ersten Menschenpaars ausdrücken wollen:

»Als Adam von seinem Schlaf erwachte und Eva anblickte, wie sie ihm gegenüberstand, umarmte er sie, küsste sie und sprach: Gesegnet seiest du dem Ewigen, bei meinem Gebein, dir steht es zu, Weib genannt zu werden.«

Andere Legenden erzählen, wie Gott selbst mit seinen Dienstengeln die Hochzeit des ersten Menschenpaars ausgerichtet habe, etwa:

»An dem Tag, wo Gott den Adam erschuf und ihm eine Gehilfin zu-führte, errichtete er ihm zehn Baldachine im Paradiese, alle aus Edelsteinen, Perlen und Gold, um ihm Ehre zu erweisen. Die Dienstengelließen Paukenschall vor ihm ertönen und führten Tänze auf wie Frauen. Der Ewige sprach nämlich zu ihnen: Kommt, wir wollen dem Adam und seiner Gefährtin eine Wohltat erweisen, denn auf Wohl tun beruht die Welt. Die Dienstengel stellten sich gleich den Trauzeugen auf und behüteten die Baldachine [vgl. Psalm 91, 11]. Der Ewige glich dem Vorbeter. Er richtete sich auf und segnete Adam und seine Gefährtin [vgl. Genesis 1,28].«

Aus den bisher genannten Schöpfungsmythen ist der Ursprung aus anderen Kulten wohl deutlich zu erkennen. Einen weiteren - im christlichen Sinne - finden wir noch im Enuma Elish. Hierin erkennen wir leicht den ersten Hinweis auf das „Heilige Abendmahl“ im babylonisch-assyrischen Kulturgebiet der dem Schöpfungsmythos zugestellt wurde:

»einen Gott soll man schlachten,

und die anderen Götter sollen gereinigt sein

durch dieses Gericht…

sodann vermischte Nin-Hursag den Ton

mit dem Blut und dem Fleisch...

Gott und Mensch werden so vereinigt im Ton,

und erschaffen die Diener der Götter im Tempel«.

Die „Einmaligkeit“ im Christosmythos hat also einen deutlich älteren und tiefgründigeren Hintergrund als uns die abrahamitischen Traditionen glauben machen wollen. Sollte dies uns noch verwundern?

Betrachten wir nun den kulturellen Ursprung der „Israeliten“ etwas in wissenschaftlich-historischer Sichtweise: Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt lebten die Horden der nomadisierenden Raubbeduinen der Ur-Hebräer nach ihrer gewaltsamen Vertreibung aus dem Ägyptischen Imperium im Großraum des Wüstengebietes zwischen Sinai und Syrien. Erst als sich die Machtverhältnisse durch das Eindringen der Seevölker im Gebiet Palästina-Syrien einschneidend veränderten, dringen erste Gruppen dieser Hebräer in die Kleinstadtfürstentümer des späteren „Nordreich-Israels“ ein. Doch dieses Eindringen erfolgte keineswegs so dramatisch „heldenhaft“ wie uns die Bibelautoren im Joschua Feldherren-Mythos glauben machen wollen, vielmehr ist es ein allmähliches Einsickern kleinerer Gruppen, die sich mit den einheimischen Kanaanäern vermischen, ihr Nomaden und Viehzüchter-Dasein ablegen und sich der höher entwickelten örtlichen Kultur anpassen.

Uns liegen aus dieser Zeit umfangreiche Texte und Literatur aus Ägypten und Syrien, aber auch aus Babylon vor. Dieses Gebiet teilte sich über Jahrtausende in zwei Machtbereiche auf, deren Grenzen nur gelegentlich durch militärische Auseinandersetzungen um wenige Kilometer Nord- oder Südwärts verschoben wurden. Der südliche Teil (mit dem späteren Judäa) stand unter Ägyptischer Oberhoheit, der nördliche wechselte in die historisch wechselnden Machtbereiche der jeweiligen Oberhoheit über Syrien. Die Kultur der eigentlichen Kanaanäer lässt sich bis in die Zeit um 3000 v. Chr. zurückverfolgen. Über ihren Ursprung ist bis heute nichts bekannt, sie ist aber eindeutig – Nicht-Semitisch. Sie tauchten wie viele Ur-Kulturen dieser Zeit einfach am Horizont der Geschichte auf und wurden von den eindringenden Semitischen Horden aufgesogen. Lange galt das Alte Testament als einzige Quelle zu den religiösen Anschauungen dieser Völker, jedoch wollen uns diese Texte, wie der Prophet Hosea, in ihrer Verurteilung der Bräuche, Fruchtbarkeitskulte und Glaubensinhalte der Kanaanäer ein negatives Bild von deren Religion vermitteln.

So gut wie gar nichts kann man dem biblischen Text über den reichen Inhalt der Mythen und religiösen Spekulationen entnehmen. Was ja auch aus der Sicht der Bibelautoren um Ezekiel wirklich Sinn macht – wäre es doch ein leichtes für den aufmerksamen Leser gewesen, den religiösen Mischmasch des JHWH-Kultes zu erkennen. Durch die Entdeckung des fast vollständigen Archives von Ugarit konnte die Religionswissenschaft hier einen Durchbruch erringen. Es ermöglicht ein umfassendes Gesamtbildüber die westsemitischen Mythen, das außerhalb des Alten Testaments möglich ist. Kanaan war Durchgangsland und Berührungspunkt der großen Kulturen des Orients, unter denen Babylon um das 11. Jahrhundert anscheinend dominierte. Daher muss das Urteil über die Ursprünglichkeit der kanaanäischen Religion vorsichtig sein, zurückhaltend. Wohl einige Entlehnungen aus dem Erbgut der Religion der alten Bewohner des Landes zeigen die religiösen Anschauungen der Kanaanäer, vor allem babylonischer Einfluss ist sicher nachgewiesen.

Die ugaritischen Dokumente führen – parallel zu den sumerischen und später babylonischen Mythen – als Schöpfergott einerseits EL an, parallel zu Enki – Ea , andererseits den Baal, parallel zu Marduk.

El, dessen Name »der eigentliche Gott« bedeutet, ist Oberhaupt der ugaritischen Götter, unzähliger Götter Vater, Gott der Weisheit, wie der babylonische Ea, heißt auch »Vater der Jahre« , wird dargestellt als Greis, der unendliche Weisheit und Güte besitze, einen schneeweißen, Erfahrung durch Alter andeutenden Bart trägt. Begrüßt wird er: »Dein Wort, El, ist weise, deine Weisheit dauert in Ewigkeit«, wird seiner Güte wegen der »Gnädige«, der »Erbarmende« genannt.

EL der Schöpfergott

Wie Ea im Apsu , im kosmischen Ozean, wohnt El »an der Quelle der beiden Ströme, inmitten der Flussbetten der beiden Abgründe«, nämlich der beiden Arme des kosmischen Flusses, der das sichtbare Universum, die Erde und das Himmelsgewölbe, mit seinen Wassern umschließt. Auch das Alte Testament nennt im Buch Genesis 1,6-7 die »Wasser oberhalb« und die »Wasser unterhalb«. Und wie die Zeugungskraft Kennzeichen Ea`s, so ist»Stier« der Titel El´s als ihr Symbol und das der unwiderstehbaren Macht.

Keine ausdrückliche Auskunft geben die Texte über die Schöpfungstätigkeit El´s, seine verschiedenen Titel aber lassen vermuten, dass El´s Wort und Weisheit bei der Erschaffung der Welt eine Rolle gespielt haben. Auch Bibel-Psalm 104,24 preist: »Wie vielgestaltig sind deine Werke, Jahwe! Alles hast du geschaffen in Weisheit [...]«. Wesentliches Moment der Schöpfung ist auch die Trennung der Wasser. Zudem ist des Gottes Zeugungskraft bei der Erschaffung der Götter und Menschen entscheidend gewesen, heißt El doch »Vater der Götter«, »Vater der Menschen« auch.

Dieses Gewicht des Fortpflanzungsvermögens El´s zeigt auch das mit »Die Geburt der huldvollen Götter« benannte Gedicht. El steht hier am Ufer des Meeres, des Urgrunds aller lebenden Dinge, des Ortes aller Fruchtbarkeit also. Er betört zwei Frauen und macht sie zu seinen Gattinnen. Zwei Söhne gebären sie dem Gott, Sahar, »Morgenröte«, und Salim, »Frieden«. Denen trägt El auf, Äcker und Weiden sieben Jahre lang zu durchstreifen, während die Nahrung sich in den Speichern ansammelt. - Nicht schwer erkennbar ist die Entsprechung zu den sumerischen Göttern der Vegetation.

Dem »Schöpfer der geschaffenen Dinge« Ugarits wird nicht nur dort die Schöpfung als sein Werk zuerkannt. Figur einer allen Semiten gemeinsamen Anschauung scheint er zu sein, an mehreren Punkten des semitischen Bereichs ist ein El erwähnt, der Schöpfer der Erde.»Schöpfer« gibt hier eine von der semitischen Wurzel qny abgeleitete Nominalform wieder, die im ugaritischen Sprachgebrauch und an einigen Stellen der Bibel - in Genesis 4, 1 und auch Psalm 139,13 - »zeugen« oder »gebären« zu bedeuten scheint, in Verwandtschaft mit dem arabischen qanã , »besitzen« , »sich anschaffen«.

Baal, der Ordner der Welt

Der Ackerbau-Mythos im Gedicht „Die Geburt der huldvollen Götter“ gibt dem El noch eine aktive Rolle, im Gegensatz zu den späteren ugaritischen Texten, in denen der höchste Gott des ugaritischen Pantheons entthront oder sogar von dem später zur höchsten Würde erhobenen Baal zurückgedrängt ist.

Baal bedeutet »Herr« (dies hat eine enge Beziehung zu dem in den Bibeltexten verwendeten „Herr“ und dürfte einer der Hinweise auf die ursprüngliche Herkunft der Texte sein), und trägt in den ugaritischen Texten den Beinamen »Kalb« oder »Ochsenkalb«.

Auf den Höhen des Tsaphon, was wahrscheinlich die »Nebelwolke« ist, wohne er. Ein Gewittergott ist Baal also, Verkörperung der atmosphärischen Vorgänge und der Niederschläge, ist mit dem Blitz bewaffnet, ist als Wettergott auch für die Fruchtbarkeit verantwortlich, ausgedrückt in seinen Beinamen. Den Ehrenplatz unter den Göttern Ugarits hat er sich erobert, sich mit seinen kriegerischen Eigenschaften gegen die Eroberungslust des Fürsten Jam, des Sohnes des Gottes El, durchsetzen können.

Jam bedeutet »Meer«. Will der Fürst sich einen Tempel bauen lassen, erbittet er die Hilfe des Handwerkergottes Kuthar, des »Geschickten«, Symbol der Zivilisation jenseits des Meeres, Ägypten sein Erbteil (vergl. Thot-Mythos). Jam personifiziert also das Meer, die auf die Felsen der Küste anstürmenden Wogen. Macht des Meeres, des Chaos, ist Jam, wie die babylonische Tiamat.

Gegen den bedrohlichen Fürsten, gegen die Macht des Chaos, erhebt zum Kampf sich Baal, wie in Babylonien gegen Tiamat Marduk. Und wie der, ist auch Baal der Sieger. Aber über eine Schöpfertätigkeit des Wettergottes sagen die oft lückenhaften ugaritischen Texte nichts. In Babylon hat Marduk den alten Schöpfergott Ea verdrängt, ohne ihn zu verdecken. Hierzu parallel mag die Vermutung nahe liegen, dass Baal, der Siegreiche, im ugaritischen Pantheon nun Höchste, den Gott El in dessen im Sieg über die Gewässer ausgedrückten kreativen Funktionen ersetzen konnte. Baal erscheint nicht unbedingt als Demiurg, zumindest aber als Ordner des Kosmos, den die Angriffe des Wassers, des Chaos, bedrohen. Der Inhalt des Textes vom Kampf Baals gegen Jam handelt von der Rivalität um den Besitz eines neuen Palasts, nicht unmittelbar von der Schöpfung. Ein anderer Text aber - Palais Royal d'Ugarit II. No. 3 - erzählt, dass Jam an seinen zwei Schwänzen festgebunden wird. So lässt sich eine Entstehung der Schilderung des Kampfs nicht ganz ohne Färbung durch einen - noch nicht bekannten Schöpfungsmythos vermuten. Der Passus erinnert übrigens an die Zerteilung Tiamats durch Marduk in zwei Teile, aus denen Marduk den Himmel und die Erde geschaffen habe. Und schließlich lässt die Rede von den Schwänzen Jams spontan an ein Seeungeheuer wie Tiamat denken.

Im Alten Testament taucht das Seeungeheuer wieder auf, an manchen Stellen ohne Artikel geführt, als Personennamen also, von den gängigen deutschen Übersetzungen nicht berücksichtigt:

»Wer schloss Jam mit Doppeltüren ein, als sprudelnd er dem Mutterschoß entsprang [...]« (Ijob 38,8 ff.),

und:

»Bin ich Jam oder Tannin, dass wider mich du eine Wache aufstellst?« (Ijob 7,12),

sowie:

»Du hast machtvoll gespalten Jam [...]« (Psalm 74,1-0.

Dasselbe Motiv bieten die ugaritischen Texte und das Alte Testament auch in anderen Formen:

In dem erwähnten Mythos vom Palastbau spricht der Gott Mut Sohn des El, zu Baal:

»Sicher werde ich dich durchbohren, wie du schlägst Ltn [Liwjatan] die böse Schlange, ein Ende bereitest der gewundenen Schlange mächtig an 7 Häuptern.« - Schon der erste Übersetzer des ugaritischen Textes, Ch. Virolleaud hat die Identität dieser Schlange Ltn mit dem im Alten Testament mehrfach genannten Liwjatan erkannt, mit dem Meeresungeheuer, das Gott bei der Erschaffung der Erde getötet habe:

»Du hast dem Liwjatan zerschmettert das Haupt [...]« (Psalm 74,14).

Und Jesaja gibt dem Liwjatan dieselben Attribute wie der ugaritische Mythos:

»An jenem Tage sucht Jahwe heim mit seinem Schwert, den hartengroßen und starken, den Liwjatan, die flüchtige Schlange, den Liwjatan, die gewundene Schlange [...]« (Jesaja 27,1).

Der Liwjatan-Mythos blieb auch noch in jüdischer Zeit lebendig so in IV Esdras 6,49 ff. und Henoch 60,77 ff.

In einer Version des Alten Testaments ist die Schlange das Seeungeheuer Rahab:

»Die Meere peitscht er auf durch seine Kraft, und schlägt durch seine Einsicht Rahab nieder. Durch seinen Hauch erglänzt der Himmel wieder, und seine Hand durchbohrt den schnellen Drachen« (Ijob 26,12 f.; vgl. ebd. 9,13). Liwjatan ist aus dem Wort liwjã , »gewunden« , abzuleiten; Rahab kommt aus dem hebräischen rahab, »anstürmen« ; das arabische rahiba bedeutet »sich fürchten« , rahib ist »fürchterlich«. Eine weitere Version nennt den schon eben in Ijob 7,12 erwähnten Tannin, ein Seeungeheuer, gegen das im ugaritischen Mythos Anat und Baal kämpfen. Anat spricht dort zu den Boten Baals: »Fürwahr, ich knebele Tannin, ich knebele ihn, ich habe geschlagen die gewundene Schlange, mächtig durch sieben Häupter.« - Ein anderer Text erzählt, nachdem er Tannin geschlagen, habe Baal sich gefreut; für immer sei die Schlange gefasst worden.

Hierzu zeigt das Alte Testament Parallelen:

»Du hast machtvoll gespalten das Meer, in den Wassern hast du zermalmt die Häupter des Tannin« (Psalm 74,13).

und:

»Warst du es nicht, der Rahab zerhieb, Tannin durchbohrte?« (Jesaja 51,90).

sowie nochmals:

»Bin ich Jam oder Tannin, dass wider mich du eine Wache aufstellst?« (Ijob 7,12).

Alle diese Versionen und alttestamentlichen Parallelen lassen ihre Entstehung in verschiedenen Stadtfürstentümern Palästina-Syriens vermuten. Trotz unterschiedlicher Ausdrucksweisen bleibt das Motiv immer dasselbe, das Kernstück des kanaanäischen Mythos von der Schöpfung: der Kampf einer Gottheit mit einem Meeresungeheuer, in dem die Gottheit siegt.

Die vielen mit den babylonischen Texten gemeinsamen Elemente beweisen die Herkunft des ugaritischen Mythos aus dem babylonischen, verweisen aber auch auf die kulturelle Einheit des gesamten vorder-orientalischen Raums. Ob in dessen Osten oder Westen, drückten die Semiten in ihrem Mythos dieselben Motive aus und hinterließen auch im Alten Testament der Bibel deutliche Spuren, die im Mythos um die „Gottheit“ El, Ea, „Herr“, JHWH nachhaltig festgeschrieben wurden.

Lit.Hinweise: Anton Jirku, Ugarit; Mircea Elade, Schöpfungsmythen; die Texte aus Ras Schamra.

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