Wuismus

© John Freemont Stiller PCMTH 2006

Den Ursprung des Wuismus erkennt man aus der Namensbezeichnung selbst. Wu ist die früheste chinesische Bezeichnung für die gesamte Schamanenschaft und ist als religiös eigenständiger Kult nur im Gesamtbild des Schamanismus zu sehen. Die Grundlage der diversen Kulte folgt einer Lehre, die in grauer Vorzeit ihren Ursprung in der asiatischen Steppe hatte und wurde im Zuge der Einwanderung der chinesischen Urvölker aus diesem Raum, in ihre jetzigen Heimatgebiete, dort verbreitet (2. Jt. B.C.)

In der Urzeit waren die Welt des Volkes und die des Göttlichen klar abgegrenzt. Unter dem Volk sind jene, die ungetrübte Spiritualität und Aufrichtigkeit besitzen, deren Intelligenz es vermag, zwischen den oberen und unteren Welten alle Erscheinungen zu vergleichen und zu verdeutlichen; deren Weisheit es vermag, die in Feme und Dunkelheit wandelnden Geheimnisse ins helle Licht zu bringen; deren Scharfsichtigkeit ist ausstrahlend; deren Hörvermögen ist durchdringend.

[...] Daher können sie die Gottheiten herabrufen.

[...] Dadurch [durch die Tätigkeiten der Schamanen] kann das Volk Treue und Ehrlichkeit haben, so haben die göttlichen Herren eine ausstrahlende Tugend. Weil die Abgrenzung zwischen Volk und Göttlichem klar vollzogen ist, wird die Ehrfurcht nicht verdorben. Deshalb kommen die Göttlichen herab, segnen und schützen die Lebenswelt.

Katastrophen und Unheil werden die Erde nicht mehr heimsuchen, den Bedürfnissen des Volkes wird Genüge getan.

Bei Xu Shen heißt es, Wu seien diejenigen, die dem Göttlichen in der gestaltlosen Welt dienen, indem sie durch den Tanz das Göttliche auf die Erde herabrufen.

Deshalb ist das Schriftzeichen für Schamanen in seiner Grundform ein Piktogramm, in dem ein mit zwei präparierten Ochsenschwänzen tanzender Mensch gezeigt wird. Wu ist der, der in Trance durch exzessiven Tanz die Welt mit dem Überirdischen, dem Gestaltlosen, verbinden und irdischen und himmlischen Wesen zur normalerweise unterbrochenen Kommunikation verhelfen kann. Er ist der Vertreter der mit der Erde verhafteten Menschen, wobei er Wünsche, Ehrfurcht, Ängste und Sorgen den Himmlischen übermittelt und gleichzeitig als Botschafter jener oberen Herrschaft Segen und Verheißung den Menschen auf der Erde überbringt. Durch die Kombination der Bilder Tanz – Nichts – Schamane entsteht die Trance, da der Schamane ein geistiges Medium des Gottes (Nichts/Gestaltloser) ist und durch den Tanz eine zwischenweltliche Verbindung herstellt.

Die von einigen Religionswissenschaftlern vorgebrachten Theorien in den Schamanen bereits Ur-Mathematiker, Ur-Naturwissenschaftler und Metaphysiker zu sehen, müssen aber durchweg abgewiesen werden. Wer einmal in den Steppen der Mongolei mit dem Schamanismus konfrontiert wurde, wird schnell auf den Boden der Tatsachen zurückfinden und solche Tendenzen frühestens in die Übergangszeit der Spätphase der Longshan-Kultur verlegen.

Die Hauptfunktion des Schamanen besteht darin zwischen zwei Welten zu kommunizieren, wobei die Botschaft und das Wissen der transzendenten Ebene immer im Zentrum stehen. Die verwendete Liturgie ist immer Machtsymbol oder Massenbewegung. Die Schamanen spielten eine große politische Rolle als Anführer von Stämmen, als Kultträger und als Verantwortliche für Interpretationen des Weltgeschehens einschließlich des menschlichen Lebens.

Sie waren die Mittler zwischen Menschen und Göttern, dem Gestalteten und dem Formlosen und erklärten die Existenz der Welt und des Lebens sowie den Sinn des ganzen Daseins. Sie sind in der Lage eine Brücke zwischen Himmel und Erde zu schlagen.

Aber die Verbindung von „Irr“-rationalem – Kult, Trance, Tanz, Gesang, Gebet, Massenszenen – und Rationalem – Berechnung und Erklärung von Himmel und Erde durch Gesetze und Korrelationen – ist eine bedeutende Basis für die Entwicklung der chinesischen Religiosität in den kommenden Jahrtausenden. Andererseits beginnt bereits zu dieser Zeit eine gewisse Rationalisierung, wie beispielweise die Trennung von Astronomie und Astrologie. Dieses ist aber auch typisch für viele andere Urreligionen. In China fand jedoch im Gegensatz zu vielen anderen, insbesondere westlichen Völkern eine weitere Rationalisierung ohne eine institutionelle Kirche oder einen Prophetenglauben statt, die trotz der Entzauberung der Welt nach wie vor auf einer mythischen Grundlage fußte.

In der Übergangszeit wurde das Schamanentum in China durch nichtautorisierte Möchte-Gern-Schamanen regelrecht überflutet und missbraucht. Es kam zu ausufernden Kämpfen und zu insgesamt chaotischen Situationen. Jeder ermächtigte sich selbst dazu, die Vermittlung zwischen Himmel und Erde zu vollziehen. Eine Situation, die der jetzigen in Europa und anderen Ländern nicht unähnlich ist. Nur dass hier dieses rummelplatzartige Treiben um das Christentum und den Islam betrieben wird, mit allen seinen negativen Auswirkungen und Folgen, wie Fanatismus und Verblendung.

In China beendete der Kaiser Chuan Xu die unübersichtliche Situation indem er einen berühmten Schamanen für alle Angelegenheiten des Himmelskultes bestimmte und einen weiteren für alle irdischen Angelegenheiten. Wenig später (zum Ende der Shang- und Beginn der Zhou-Zeit 1050-773 B.C.) fanden die Festlegung und Vereinheitlichung des Königtums und des Schamanentums, nämlich die Legitimation der politischen Herrscher durch Religiosität, statt. Durch die Trennung von Himmel und Erde bzw. der weltlichen und himmlisch-religiösen Angelegenheiten wurden der religiöse Sinn des Lebens und dessen offizielle Interpretation von einer kleinen Gruppe monopolisiert.

Durch eben jene Trennung werden einerseits eine politische Legitimation und ein ausschließlicher Zugang zu den Göttern ermöglicht, wobei das gesamte einfache Volk ignoriert wird. Andererseits wird die transzendente Welt bewahrt und es wird verhindert, dass der religiöse Kult zur Massenbewegung ausartet. Diese Phase entspricht der Entstehung des Priestertums in anderen Hochkulturen und ist für China relativ spät, etwa zeitgleich der Entwicklungsgeschichte des hebräischen Priestertums festzumachen. Entsprechend der Zentralisierung der politischen Macht steht dem bisher ungeordneten göttlichen Pantheon nun auch ein Gott vor.

Wissenschaftliches Journal der Yanjing Universität, Bd.20, Beijing, 1936, S.537; Vgl. auch ders.: „ Vom Kult der Shang- und Zhou-Zeit durch Untersuchung der archäologischen Inschriften" JE, Yanjing Xuebao, Bd.19, Beijing,1935, S.91-155.

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